Rezension – „Predyl – Eine neue Welt“
– Klappentext –
Seit Jahrhunderten leben die Menschen auf dem Mond Predyl, weit von der zerstörten Erde entfernt. Mithilfe der Arbeitskraft primitiver Ureinwohner haben sie sich dort ein Utopia erschaffen. Die junge Frau Luna wächst als eine der verwöhnten Bewohner dieser Kolonistenstadt auf. Als sich die Proteste der Predyler gegen die Unterdrückung häufen und es zu einem militärischen Konflikt kommt, wird sie erstmals mit der harten Realität konfrontiert. Unterstützung findet sie ausgerechnet in dem Eingeborenen Biran, der bald mehr als nur ein Beschützer ist. Gemeinsam versuchen sie, die verheerende Feindschaften zwischen den Spezies zu beenden.
– Meine Meinung –
Manchmal braucht es nicht immer ein absolut neues, ‚nie dagewesenes‘ Thema, um einen spannenden Roman zu schaffen – wichtig ist nur, dass es neu und spannend erzählt wird. Die grundlegende Geschichte von „Predyl – Eine neue Welt“ mutet natürlich wie die SF-Verlagerung der Eroberung Amerikas an; die Verdrängung der Indianer durch den weißen Mann. Doch auch wenn diese Assoziation die prägendste ist, kommt man angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation nicht umhin, diese Thematik als (leider) universal einzustufen. Immerhin: In diesem Szenario haben die Indianer die Oberhand …
Mit ihrem Roman legt Sylvia Kaml eindrucksvoll vor, dass kriegerische Auseinandersetzungen nicht der Schlüssel sind. Das gelingt ihr, Gott sei Dank, ohne moralinsauer zu werden, sondern anhand ihrer gut gezeichneten Charaktere Luna und Biran. Diese beiden Charaktere zeigen, dass Furcht und Vorurteile in uns allen stecken, doch die Bereitschaft, diese Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, letztendlich ein Weg sind. Die gemeinsamen ruhigen Szenen, die vorwiegend im zweiten und dritten Abschnitt des Romans vorkommen, schildern wundervoll die Annäherung der beiden und langsam wachsendes, gegenseitiges Verständnis. Das genaue Gegenteil zeigt sich in Lunas Bruder Lionel, der über die Jahre an der Front verbitterte, und dem von Hass zerfressenen Avrael, dem militärischen Führer der Predyler. In ihnen spiegelt sich, dass ein Krieg nicht nur körperliche, sondern vor allem auch seelische Narben hinterlässt.
Auf der handwerklichen Seite gibt es kaum etwas zu beanstanden. Der Roman ist gut strukturiert, bleibt konstant spannend und meistert die Balance zwischen ruhigen und actionreichen Szenen. Auch die zeitlichen Sprünge des mehrjährigen Erzählzeitraums sind sinnvoll gestaltet. Sylvia Kamls Schreibstil ist sehr geradlinig und schnörkellos, ohne dabei monoton zu wirken oder sprachliche Finessen zu vernachlässigen. Als besonderes Plus kommt die Ich-Perspektive von Luna hinzu.
Das Einzige, dass ich an „Predyl“ weniger optimal finde ist die gewählte Zeitform des Präsens. Einige Szenen profitieren durchaus von einer Schilderung in der Jetztzeit. Da der Roman jedoch einen mehrjährigen Zeitraum abdeckt hätte ich eine rückblickende Schilderung für besser empfunden. Von einem Ableben der Protagonistin war durch die Ich-Perspektive ohnehin nicht auszugehen, aber dadurch hätten die Kindheit von Luna im ersten Abschnitt und die weiteren zeitlichen Sprünge, welche die Geschichte erfordert, eleganter gestaltet werden können. Doch das sind Kleinigkeiten, die das Lesevergnügen nur minimal schmälern.
Fazit: „Predyl – Eine neue Welt“ ist ein mitreißend geschriebener Roman, der von starken Aussagen, viel Fantasie und gut gezeichneten Charakteren getragen wird. Eine Perle deutscher SF.
– Kurzvita Sylvia Kaml –
Sylvia Kaml ist studierte und praktizierende Verterinärmedizinnerin. Einige Jahre lebte sie in den USA, heute mit Mann und Kindern in Mülheim an der Ruhr. Schon immer hatte sie eine Vorliebe für Science-Fiction mit Schwerpunkt Dystopie und den allzu menschlichen Reaktionen auf technisch Mögliches. Sie schreibt hauptsächlich Zukunftsromane mit gesellschaftskritischem Hintergrund.
https://sylviakaml.jimdo.com/
– Buchdaten –
erschienen im Hybrid Verlag
Seitenzahl TB: 463
ISBN: 978-3-946820-07-9
Preis TB: 12,90 €
auch als E-Book erhältlich