Rezension „Titans Kinder“ (Aiki Mira)
In nicht allzu ferner Zukunft ist die Menschheit zumindest ein wenig in die planetarische Nachbarschaft vorgedrungen.
Im Auftrag ihres Konzerns folgt das Trio Rain (Bioinformatikerin), Marlon (Astronaut) und Sunita (Ingenieurin) dem Notruf einer Forschungsstation auf dem Saturnmond Titan. Dort treffen sie auf die Biologin Verve, die quasi im Alleingang Forschungen betreibt. In einem der gigantischen Methanseen entdecken sie Lebensformen, die sich in rasanten Schüben verändern …
Aiki Miras Debüt hebt sich in mehreren Punkten auffallend von der gängigen Genre-Literatur ab.
Der Roman ist einerseits Hard SF, d. h. er fußt sowohl bei der Darstellung von Titan als auch bei technischen Möglichkeiten auf dem aktuellen Wissensstand bzw. denkbaren, technologischen Entwicklungen. Hingegen erlaubt sich „Titans Kinder“ mit den entdeckten Lebensformen und biologischen Transformationen phantastische Elemente.
In seiner Gesamtheit möchte der Roman nicht nur für spannende Lesestunden sorgen – was vortrefflich gelingt – sondern folgt der Tradition solcher Werke wie „Dune“ und „Die Mars-Chroniken“, das Setting als Vehikel für tiefere Inhalte zu nutzen.
Die im Untertitel angekündigte Utopie erschließt sich erst zum Schluss – und ich werde einen titanischen Teufel tun, auch nur andeutungsweise etwas zu verraten. Diese Erfahrung ist vergleichbar mit dem Schluss von „Planet of the Apes“, der letzten Mars-Chronik oder dem Finale von „Babylon 5“ und verdient es, unvorbereitet erlebt zu werden.
Etwas utopisch geht es jedoch auch bereits zuvor zu, denn „Titans Kinder“ präsentiert einen ausgesprochen diversen Cast, bspw. mit der asexuellen Transperson Rain. Das Utopische ist dabei nicht etwa die Repräsentation an sich, sondern der im Roman gesellschaftlich akzeptierte Umgang mit dem Facettenreichtum des menschlichen Daseins.
Der Roman ist mit etwas mehr als 200 Seiten recht kurz, erstreckt sich jedoch mit Zeitsprüngen über Wochen, Monate und Jahre. Die Perspektiven werden mehrfach gewechselt, wobei Rain schlussendlich den größten Anteil erhält. Dennoch gelingt es Aiki Mira ihre Charaktere durch geschickt eingewobene Momente und glänzend geschriebene Dialoge komplex zu zeichnen. Durch seine Kürze ist der Roman sehr dicht erzählt, spannend gehalten und lässt keine Langeweile aufkommen.
Zu beanstanden habe ich lediglich Kleinigkeiten: Der Start, etwa die ersten 30 Seiten, sind etwas holprig. Wie erwähnt, ist der Roman sehr dicht und das Erzähltempo hoch, wodurch keine Langeweile aufkommt und gefordert wird, Leerstellen auszufüllen. So sehr ich dieses strukturelle Vorgehen schätze, wäre ein *bisschen* Ruhe zwischen den erzählerischen Stürmen schön gewesen.
Dessen ungeachtet ist „Titans Kinder“ mehr als ein solides Debüt. Der Roman begeistert durch Fantasie, Spannung, sprachlichen Nuancen und – was in der oft generisch daherkommenden SF dringend nötig ist – einer Vision. Meinerseits eine absolute Leseempfehlung.
Webseite Aiki Mira: https://aikimira.webnode.page/