Serienkritik: „Star Trek: Picard“ – Season 1
2399. Jean-Luc Picard, mittlerweile aus der Sternenflotte ausgetreten, wird auf seinem Weingut von einer jungen Frau namens Dahj aufgesucht, die von Unbekannten verfolgt wird. Doch kaum findet er heraus, dass es sich bei Dahj um eine künstliche Lebensform handelt, die scheinbar „die Tochter“ von Data ist, verliert Dahj bei einem Angriff ihr Leben. Picard ist fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Da die Sternenflotte ihm die Mithilfe verweigert, chartert er über seine ehemalige erste Offizierin Raffi Musiker den Piloten Christobel Rios und macht sich auf die Suche nach Bruce Maddox, der einst gemeinsam mit Data die Forschung der Androiden vorantrieb …
Kritik
Durchwachsen. Das ist wohl das beste Wort um meinen Eindruck der ersten Staffel von „Star Trek: Picard“ zu beschreiben.
Grundsätzlich:
Der Serie gelang das Kunststück, an „Star Trek: The next Generation“ (bzw. die Serien im 24. Jahrhundert) anzuknüpfen, ohne dabei zu einem Abziehbild der Mutterserie(n) zu werden. Hier wurde kein alter Wein in neue Schläuche gefüllt, sondern etwas Neues geschaffen – und das ist auch gut so. Neu ist v. a. die Erzählstruktur. Statt abgeschlossener Episoden, die nur lose miteinander verknüpft sind, erzählen die 10 Episoden der Staffel eine durchgehende Geschichte. Diese ist dabei im Kern „Star Trek“ auch würdig, wenngleich sie deutlich (!) besser hätte erzählt werden können.
Ein Wermutstropfen ist die Abkehr vom Advanced Human. Von der schönen Zukunft und einer weiterentwickelten Menschheit – die insbesondere ein Basiselement von „The next Generation“ war – ist wenig geblieben. Natürlich ist Picard immer noch Humanist und vielleicht ist es der realistischere Ansichtspunkt, dass eine Utopie auch ins Wanken geraten kann, aber etwas traurig stimmt mich dieser Abkehr schon.
Das Ensemble:
Patrick Stewarts Schauspielleistung ist nach wie vor grandios. Ihm zuzusehen, wie er nach fast zwei Jahrzehnten in eine ältere, verbittertere und bisweilen starrköpfige Version seiner ikonischen Rolle schlüpft, ist ein Fest. Zunächst ist es für den TNG-Fan natürlich ungewohnt, ihn nicht neben den vertrauten Charakteren der Enterprise-Crew zu sehen, doch nach ein paar Episoden freundet man sich mit den neuen Charakteren an. Die resolute Raffi Musiker, die neurotische Agnes Jurati und Soji können begeistern. Lediglich Elnor wirkt bisweilen etwas überflüssig, wenn auch nicht störend. Als besonders beeindruckend seien die Leistungen von Iso Briones (Soji) und Santiago Cabrera (Rios) hervorgehoben, die in dieser Staffel mehr als einen Charakter zum Besten geben.
Mit Brent Spiner, Jonathan Frakes und Marina Sirtis kehren vertraute Gesichter der TNG-Stammbesetzung zurück. Bei den ehemaligen Offizieren der Enterprise ist das Wiedersehen auch sehr gelungen. Die Auftritte der TNG-Recken sind glücklicherweise nicht nur Fanservice, sondern erfüllen auch einen wichtigen Zweck im Handlungskorsett. Spiner darf neben einigen Data-Sequenzen als bisher unbekannter Altan, Sohn von Data-Erschaffer Noonian, einen weiteren Vertreter der Soong-Familie verkörpern. Weniger erfreulich sind die Auftritte der beiden Ex-Borg. Sowohl bei Hugh als auch Seven hat man das Gefühl, dass sie einfach dabei waren, aber die Geschichte auch bestens ohne sie funktioniert. Die charakterliche Wandlung von Seven hätte zudem ein bessere Schreibe erfordert.
Handwerkliches:
Apropos Schreibe: Hier ist der riesige Knackpunkt der ersten Staffel. Einzelne Anschlussfehler kann man verzeihen, eine misslungene Episode auch – aber über die groben Schnitzer ersten Staffel kann man nur den Kopf schütteln. Die Geschichte ist Trek pur, aber der Handlungsbogen völlig zerfahren. Handlungen werden begonnen und versanden, der komplette Borg-Anteil der Staffel hätte man getrost streichen können, Motivationen bleiben unklar und in Sachen Erzähltempo geht es zumeist gähnend langsam voran. An einigen Stellen, an denen man einen ruhigeren Gang gebraucht hätte, war es dafür zu hektisch.
Hätte man den Borg-Anteil weggelassen und die Handlung sinnvoll gerafft, hätte es ein guter Film oder eine passable Miniserie werden können – so ist es leider eine aufgeblähte Staffel mit viel Leerlauf und wirrer Erzählstruktur.
Fazit
Der ersten der drei veranschlagten Staffeln kann ich – Fanbonus eingerechnet – wohlwollende 3 Sterne geben. „Star Trek: Picard“ hat das Potential, nicht nur The next Generation würdig fortzusetzen, sondern ein spannendes, eigenständiges Kapitel im „Star Trek“-Franchise zu werden. Doch dafür muss sich die zweite Staffel deutlich steigern.
Wie sagte es einst Q? „The hall is rented, the orchestra is engaged. Let’s see, if you can dance“. Hoffen wir, dass die Produzenten und Autoren eine flotte Sohle aufs Parkett legen können …